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Italien |
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UEFA EURO 2004 |
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22.06.2004, Estádio D. Afonso Henriques Guimarães, Gruppenspiel Europameisterschaft 2004 |
Während Bulgarien nach Niederlagen gegen Schweden (0:5) und Dänemark (0:2) bereits alle Hoffnungen begraben darf, sich noch für das
Viertelfinale der Euro 2004 zu qualifizieren, benötigen die Italiener nach zwei Unentschieden gegen Dänemark (0:0) und Schweden (1:0) unbedingt einen Sieg, um ihrerseits die Gruppenphase zu überstehen. Allerdings ist man dabei wegen der Direkten-Vergleich-Regelung auf einen günstigen Ausgang des zweiten Spiels der Gruppe angewiesen. Sollte das skandinavische Duell zwischen den Dänen und Schweden 0:0 ausgehen, würde Italien mit jedem Sieg im Viertelfinale stehen, bei einem 1:1 müßte die Squadra Azurri 2:0 oder höher gewinnen und ab 2:2 wäre man unabhängig vom eigenen Ergebnis raus. Wenn man selbst gewinnt und das andere Spiel ebenfalls einen Sieger findet, ist man natürlich ebenso weiter, wie man bei einem Remis oder Niederlage gegen Bulgarien definitiv den Heimflug anzutreten hätte.
In der Anfangsphase scheinen die Italiener nicht mit der Drucksituation fertig zu werden, denn den Blauen will kaum ein Spielzug
gelingen und so mancher Paß landet beim Gegner. Bulgarien dagegen hat keinen Grund zur Nervosität und sucht trotz des vorzeitigen EM-Aus den Weg nach vorne - man will wohl nicht als einziges Team ohne Pluspunkt nach Hause fahren und auch die Torbilanz verträgt bei 0:7 sicherlich eine kleine Verbesserung. Nach einer guten halben Stunde findet Italien dann aber besser ins Spiel und scheint nach und nach die Kontrolle zu übernehmen, was den Schock für die Italiener um so größer macht, doch noch mit einem Rückstand in die Pause gehen zu müssen. In der Nachspielzeit kommt es zu einem Ringkampf im Strafraum, für den Bulgarien ein Elfmeter zugesprochen wird, mit dem das Team des Bulgarischen Fußballverbandes endlich zu seinem ersten Treffer des Turniers kommt. Die Frage, ob der Rückstand die Nervosität Italiens wieder vergrößert, stellt sich aber nur kurz, denn bereits drei Minuten nach Wiederaufnahme der Partie kommt es zum 1:1, als der Ball zunächst unter die Latte und vom Boden aus dem Tor springt, Diskussionen darum, ob das Leder hinter der Linie war, dann aber überflüssig werden, nachdem Perotta das Leder endgültig in die Maschen schieben kann. Jetzt machen die Blauen mächtig Druck, um ihre eigene Schuldigkeit im Dreikampf mit Schweden und Dänemark zu tun, aber man vergibt reihenweise beste Gelegenheiten. Erst in der Nachspielzeit kommt es zum 2:1-Siegtreffer für Italien, da jedoch auch bei der Partie Dänemark-Schweden kurz vor Schluß das 2:2 gefallen ist, bleiben die Italiener auf dem dritten Platz der Tabelle und haben den Einzug ins Viertelfinale verpaßt.
Farblich herrscht heute Einigkeit im Rund, wobei die waagerecht weiß-grün-rot gestreiften Bulgaren gegenüber den senkrecht grün-weiß-rot gestreiften
Italienern ein wenig in der Unterzahl sind. Das macht dann natürlich dennoch einen erstaunlich großen Support für Bulgarien und einen enttäuschend geringen für Italien aus, wenn man die unterschiedlichen Randbedingungen im jeweiligen Land in Betracht zieht, und reicht in der Summe nicht aus, die Anlage zu füllen, so daß Tausende von Plätzen frei bleiben. Die Bulgaren zeigen zum Intro eine Blockfahne, während die Italiener bunten Rauch in den Himmel steigen lassen. Danach gibt es dann Support per Sprechchor, was im Falle der Südosteuropäer per Getrommel koordiniert wird. Am Ende sind die Bulgaren trotz der ernüchternden EM-Bilanz mit ihrer Mannschaft, die heute ein gutes Spiel geboten hat, zufrieden, während man bei den italienischen Fans weniger eine Verschwörung im Parallel-Spiel wittert, sondern viel mehr auf Nachfrage seiner Mannschaft die Schuld gibt. "No Heart und Soul" ist da zu hören, von einem "game of shame" ist die Rede und auch die "too defensive tactics" von Trainer Trapattoni ("should go away") ihr Fett abbekommt.
Dieser Trainer Trapattoni erklärt in der Pressekonferenz übrigens auch, daß er davon ausgeht, daß die Skandinavier ihr 2:2-Ergebnis
nicht fingiert haben. Das wird auch von den späteren TV-Bildern zu der Parallel-Partie belegt, in der die mit 2:1 führenden Dänen mehrmals versuchen, zum Absicherungstreffer zu kommen und sich den Gruppensieg - und damit ein Viertelfinale gegen Deutschland oder Holland statt eines Spiels gegen die Tschechische Republik - zu sichern (was man ja auch sehr gut verstehen kann). Nach dem 2:2, das auch erst in der 90. Minute fällt, passiert natürlich nicht mehr viel, aber wie will man das jemandem zum Vorwurf machen? Dennoch kommen am darauffolgenden Tag unschöne Töne ins Spiel, als Vertreter des italienischen Fußballverbands dann doch von Verschwörung sprechen und eine Änderung des Modus fordern. Diese Funktionäre sollten aber dann vielleicht doch lieber vor der eigenen Tür kehren und sich die Frage stellen, warum Italien auch bei einer Regelung über das Gesamttorverhältnis ausgeschieden wäre (3:2 gegenüber 8:3 bei Schweden und 4:2 bei Dänemark) oder die, warum man beim 0:0 gegen Dänemark das schwächere Team war und wie man sich eine 1:0-Führung gegen Schweden aus der Hand nehmen lassen konnte. Damit ist diese Euro das zweite große Turnier in Folge, bei dem man sich in Italien betrogen fühlt, nachdem schon das Ausscheiden bei der WM 2002 gegen Südkorea stark in Zweifel gezogen worden war.
Das Estádio D. Afonso Henriques zu Guimarãs gehört zu den Umbauten der Europameisterschaft und liegt mitten in der Innenstadt
der nordportugiesischen Ex-Metropole (im Mittelalter war Gumirãs sogar mal Hauptstadt Portugals), die inzwischen einen eher leicht verschlafenen Eindruck macht. Das gilt heute allerdings kaum, kurven doch überall Fußballbesucher herum, da es mit dem Angebot an Parkraum nicht allzugut bestellt ist. Die Anlage wurde zur Euro komplett umgebaut, wobei allerdings der alte hufeisenförmige Grundriß erhalten geblieben ist. Drei Tribünen verlaufen abgerundet um die Anlage und dazu kommt eine gerade verlaufende, die hinter einem Tor steht und den Rest der Anlage überragt. Alle diese Tribünen sind zweistöckig und überdacht, so daß insgesamt knapp über 30000 Menschen in der Anlage Platz finden. Offene Ecken mit Flutlichtmasten und Reste der alten Traversen, die man früher im Stadion finden konnte, gehören inzwischen aber der Vergangenheit an, wobei die grundsätzliche Bauweise der Beleuchtung mit Masten beibehalten wurde, nur daß die jetzt auf dem Dach der Anlage stehen. Die Bestuhlung ist größtenteils in vornehmem Schwarz und Weiß - den Farben des Heimteams von Vitória Guimarãs - gehalten, wobei es im Oberrang einige Stühle in Rot und Blau gibt, die "Fahnen und Wappen" ergeben sollen, faktisch aber eher als geometrische Figuren wahrnehmbar sind. Unstrittig ist, daß auf der höheren Hintertorseite eine Abbildung des namensgebenden D. Afonso Henriques in die Sitze integriert ist. Insgesamt gehört das Estádio D. Afonso Henriques zu den eher konservativen Spielorten der Euro, was ja auch irgendwie zum von einer Burg und zahlreichen mittelalterlichen Gassen geprägten Spielort paßt und erst recht zur Benennung der Anlage nach einem mittelalterlichen König. Dazu paßt wohl auch, daß Guimarãs als einziger Spielort keine Multimediaanzeigetafel in sein Stadion integriert hat und sich auf eine altmodische Variante mit digitalen Zeichen verläßt, die nur Platz für die Ländernamen und den Spielstand bietet.
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