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MSV Duisburg |
06.12.2002, Wedau-Stadion, 2. Bundesliga |
Der Meidericher Spielverein von 1902 Duisburg und der Fußballclub St. Pauli Hamburg sind sich in einigen Dingen
gar nicht so unähnlich. Beide haben sich mit notorisch erfolgreicherer Konkurrenz vor der eigenen Haustür herumzuschlagen - im Falle der Gäste natürlich der ungeliebte Lokalrivale vom HSV, im Falle der Gastgeber die Konkurrenz aus den östlicheren Ruhrgebietsstädten -, beide spielen in Stadien, die nicht unbedingt als komfortabel gelten können und beide neigen dazu, unter ihrer Anhängerschaft eher Frust als Begeisterung zu verbreiten. Die MSV-Fans konnten ihre Frustrationen zwar meist auf dem etwas höheren Level erleiden - immerhin 26 Jahre lang zählten die Zebras zur ersten Bundesliga, während es St. Pauli nur auf sieben Spielzeiten in dieser Liga brachte -, aber Titel hat es für beide Kontrahenten nie gegeben, sieht man mal von einer Amateurmeisterschaft für den MSV ab. Auch in der laufenden Spielzeit war auf beiden Seiten erst mal Frust angesagt, so stand man nach 10 Spielen von vier Punkten getrennt auf den Tabellenplätzen 13 und 16. Danach trennten sich die Wege dann aber, während Spieler-Legende Bernard Enatz Dietz den MSV übernahm und eine Siegesserie einleitete, nach der man in Duisburg Morgenluft wittert und sogar mit den Aufstiegsrängen flirtet, fuhren die Gäste eine bittere Niederlage nach der anderen ein, der ein einziges Remis gegenübersteht, so daß sich die Punktekonten vor dem heutigen Spieltag - 24 beim MSV, 9 bei St. Pauli - beträchtlich unterscheiden.
So groß der Unterschied im Punktestand inzwischen auch sein mag, auf dem Platz präsentieren
sich beide Mannschaften zunächst auf dem gleichen - eher bescheidenen - Niveau. Während des ersten Abschnittes sind auf beiden Seiten keine Torchancen zu verbuchen und das gilt zunächst auch in der zweiten Halbzeit, bevor es dann gute 20 Minuten vor Schluß Schlag auf Schlag geht. Ein Stellungsfehler in der Abwehr der Hamburger, die zu früh aufrücken will, ermöglicht dem MSV den Führungstreffer. Während der Jubel der Heimfans kaum verklungen ist, schlägt es jedoch auf der Gegenseite ein, als Stanislawski nach einem Freistoß nachsetzen und den Ball im Tor unterbringen kann. Aber auch das erweist sich als von kurzer Dauer, denn der unmittelbare Gegenstoß der Gastgeber endet wieder mit einem - letztlich dem entscheidenden Tor. Ein kurioses Spiel, in dem ein Gang zu Toilette oder Bierstand dazu führen konnte, daß jemand gleich alle drei Tore der Partie verpaßt. Nach der erneuten Führung der Gastgeber versuchen es die Braun-Weißen noch mal mit der Brechstange und werfen alles nach vorne. In ein paar Szenen könnte das auch zum Erfolg führen, hier fehlt das Quentchen Glück, aber allzu geplant laufen die Angriffe der Gäste dann doch nicht ab und auch der MSV könnte per Konter noch zu Treffern kommen, so daß das Fazit der Partie wohl lauten muß, daß die Punkte zwar etwas glücklich, aber durchaus verdient bei der Heimmannschaft bleiben.
Unter den 11000 Zuschauern sind vielleicht 500 Anhänger der Gäste, angesichts von Tabellenstand, jüngsten Leistungen und Freitagabendansetzung ein beachtenswerter Support, den man
sich selbst nur auf eine Art erklären kann und das dann auch gleich per Transparent tut: Nur die Sucht zwingt zum Mitfahren. Der MSV-Anhang bedankt sich - ebenfalls per Transparent - bei Interimstrainer Dietz, der demnächst von Norbert Meier abgelöst wird und heute sein letztes Heimspiel auf der Trainerbank der Meidericher verbringt, und versucht, mit zahlreichen Wunderkerzen ein wenig Licht ins Intro zu bringen. Danach unterstützt man sein jeweiliges Team per Sprechchor. In der zweiten Hälfte tauchen ein paar zwielichtige Duisburger Gestalten in der Nähe des Zauns des Gästeblocks auf, wo sich Möchtegern-Hooligans mit teils rassistischen Sprüchen zu provozieren suchen, aber größtenteils Gelächter ernten. Die Verwirrung unter den Provokateuren nimmt angesichts der Scheiß-St.-Pauli-Hey!-Sprechchöre des Hamburger Anhangs eher zu und erreicht schließlich ihren Höhepunkt, als ihre Wir steigen auf und ihr steigt ab!-Sprechchöre von St.-Pauli-Seite mit dem gleichen Spruch gekontert werden. Ganz haben die Fans des FC St. Pauli ihren Humor also noch nicht verloren, aber es ist schon zu merken, daß der Stachel tief sitzt und, daß viele ihre Hoffnung auf den Klassenerhalt inzwischen verloren haben. Tatsächlich ist zu befürchten, daß der Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz nach dem heutigen Spieltag auf sieben bis neun Punkte gestiegen sein könnte und es ist wohl zu konstatieren, daß nur eine Siegesserie in der Rückrunde helfen kann, die Klasse zu erhalten, wofür nach der bisherigen Performance in der Abstiegszone wohl 36 bis 38 Punkte gebraucht würden.
Das Wedaustadion ist an dieser Stelle bereits beschrieben worden und soll bald Geschichte sein, nachdem
die Finanzierung des Umbaus inzwischen sichergestellt zu sein scheint. Es verfügt auf einer Seite über eine mächtige Sitzplatztribüne, die mit grünen und blauen Sitzschalen bestückt ist und aufgrund ihrer Seitenwände über ein wenig Windschutz verfügt. Der Rest der Anlage besteht aus Traversen, wobei auf der Gegenseite noch ein seltsames rotes Gebilde zu finden ist, das wie das Produkt eines verrückten Wissenschaftlers aussieht, der eine Satelliten-Schüssel mit einer Sprungschanze geklont hat, aber wohl eher eine Art VIP-Raum darstellt. Nach dem Umbau soll es eine hochmoderne Arena werden, die bei einer Kapazität von 30000 Plätzen über 8000 Stehplätze verfügen soll und natürlich komplett überdacht sein wird. Platz für VIPs ist dann selbredend auch reichlich vorhanden, eine Aussage, die für die heute noch existente Laufbahn nicht gilt, so daß es demnächst in der Wedau ein reines Fußballstadion - bislang übrigens ohne Zäune zum Spielfeld hin geplant - geben wird. Eine Übersicht über die Planungen findet man unter anderem bei Stadionwelt.
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